Material als Haltung
Der Stahl vermittelt strukturelle Präsenz – er trägt, rahmt und führt. Seine massive Erscheinung wird durch die Wendelform zugleich dynamisiert. Die Lackierung wurde so gewählt, dass sie nicht im Vordergrund steht, sondern die Materialität lesbar belässt. Dadurch entsteht eine ruhige, zurückhaltende Oberfläche, die bewusst auf Spiegelung, Glanz oder übermäßige Effekte verzichtet. Der Werkstoff behauptet sich durch seine Geometrie, nicht durch visuelle Lautstärke.
Gleichzeitig kommuniziert der Stahl mit dem Holz der Stufen: Dunkel geölte Räuchereiche bildet den warmen Gegenpol zur technischen Kühle des Metalls. Dieses Spannungsfeld zwischen industriellem Werkstoff und natürlichem Material erzeugt eine gestalterische Balance, die sowohl das Handwerkliche als auch das Architektonische würdigt.
Die Wahl des Materials ist nie rein technisch – sie ist eine bewusste gestalterische Entscheidung. In dieser Treppenkonstruktion tritt der Werkstoff Stahl nicht als rein funktionales Tragmittel auf, sondern übernimmt eine zentrale Rolle im architektonischen Ausdruck. Verwendet wurde S235-Stahl in 10 mm Stärke – robust, formstabil und mit exzellenter Verarbeitbarkeit für freigeformte Geometrien. Die gewendelten Wangen, präzise gebogen und endlackiert, erzeugen durch ihre geschlossene Oberfläche eine grafische Klarheit, die sich selbstbewusst in den Raum einfügt.




Dialog zwischen Struktur und Oberfläche
Der Belag aus dunkel geölter Räuchereiche bildet den materiellen Kontrapunkt zum Stahl und erweitert den architektonischen Ausdruck um eine haptisch-warme Ebene. Als Stulpbelag ausgebildet, schaffen die Trittstufen ein plastisches Profil mit klarer Kontur. Besonders hervorzuheben ist die Einbindung des Geländers:
gewendelte und gerade Ganzglas-Elemente in Weißglas (VSG 21,52 mm, 2× ESG) übernehmen die Absturzsicherung nahezu unsichtbar, während der umlaufende Handlauf aus massiver Räuchereiche den Materialbezug zu den Stufen aufnimmt und gleichzeitig ein taktiles Interface zwischen Nutzer und Objekt schafft.

Architektonische Integration
Die Treppe wurde im Kontext eines innenarchitektonischen Gesamtkonzepts realisiert, entworfen vom Architekturbüro Umbauter Raum GmbH (Bad Homburg). Die Umsetzung erfolgte durch die Nautilus Treppen GmbH & Co. KG, ein Handwerksbetrieb mit hoher Spezialisierung auf freie Geometrien und werkstoffübergreifende Konstruktionen. Dieses Projekt steht exemplarisch für eine disziplinübergreifende Zusammenarbeit, bei der Entwurf, Konstruktion und Ausführung in einem kontinuierlichen Dialog stehen
Diese Wendeltreppe zeigt, wie aus einer funktionalen Notwendigkeit ein gestalterisches Leitmotiv werden kann – vorausgesetzt, Entwurf und Ausführung greifen frühzeitig und präzise ineinander. Für Architekt:innen und Designer:innen bedeutet das: Eine Treppe ist nie nur ein Aufgang – sie ist ein gebaute Haltung zur Architektur selbst.